Was Marcelino García Toral im Sommer 2019 widerfahren ist, fasst ganz gut zusammen, was aktuell beim FC Valencia falsch läuft. Der damalige Trainer des spanischen Traditionsklubs wurde vom singapurischen Unternehmer Peter Lim, seit 2014 Besitzer des Vereins, in dessen Heimat eingeladen, um über die Leistungen der vergangenen Saison zu sprechen. Marcelino dürfte mit einem Grinsen ins Flugzeug nach Singapur gestiegen sein, schließlich hatte er mit seiner Mannschaft durch einen Sieg gegen den FC Barcelona gerade den spanischen Pokal gewonnen und damit die erste Trophäe für Valencia seit über zehn Jahren.
Doch Lim und Klubpräsident Anil Murthy gratulierten lediglich zur erfolgreichen Qualifikation für die Champions League, der Gewinn der Copa wurde gar nicht erst erwähnt. In den Augen der beiden Geschäftsmänner war es sogar eher eine Art Provokation des Trainers, einen derart unwichtigen Wettbewerb wie die Copa del Rey für sich zu entscheiden und damit im schlimmsten Fall durch fehlende Ausdauer in der Liga die Quali für die Königsklasse zu verpassen.
Dass Marcelino nur wenige Wochen später entlassen wurde, war die logische Konsequenz vorangegangener Streitigkeiten mit der Vereinsführung – und stieß Fans und Spieler gleichermaßen dennoch sauer auf. Durchaus nachvollziehbar wenn man bedenkt, dass Valencia gerade eine überaus erfolgreiche Saison hinter sich gebracht hatte.
Platz vier in La Liga, dazu ein Halbfinaleinzug in der Euro League und der erwähnte Pokalsieg. Der 54-jährige Spanier wusste mit seinen Spielern umzugehen und formte eine Einheit, die es so schon viele Jahre dort nicht mehr gegeben hatte. Und die es seit dem aus sportlicher Sicht haarsträubenden Rauswurf des derzeit vereinslosen Trainers auch nicht mehr gibt.
Albert Celades hieß der Mann, der die erhitzten Gemüter beruhigen und die sportliche Stabilität weiterführen sollte. Wenngleich Celades im Herrenbereich keine Erfahrung als Cheftrainer vorzuweisen hatte, war Peter Lim fest von dessen Fähigkeiten überzeugt.
Nach einem krachenden Aus in der Champions League gegen das furiose Team von Atalanta Bergamo und einem mageren Punkteschnitt von nur 1,44 in der Liga konnte dieses Experiment als gescheitert betrachtet werden. Auch die sportliche Leitung war sich dessen bewusst, weshalb Celades noch vor Saisonende wieder seinen Hut nehmen musste.
Dem kurzen Interimsgastspiel von Voro González (bereits das fünfte Mal, dass die Klublegende als Notnagel einspringt) folgte vor einigen Wochen die Bekanntgabe, dass Javi Gracia von nun an die Geschehnisse bei den Blanquinegros leiten wird. Der 50-Jährige, im vergangenen September noch etwas überhastet nach nur vier Ligaspielen beim FC Watford entlassen, kennt das spanische Oberhaus äußerst gut – als Spieler sowie als Trainer.
Doch auch unter ihm bleiben die Baustellen, die ein impulsiv und kurzsichtig handelndes Management über die Jahre geschaffen hat.
So muss aufgrund der verpassten Qualifikation für Europa und der damit verbundenen finanziellen Schieflage kräftig gespart werden. In dieser Woche wurden dementsprechend die Abgänge von Francis Coquelin und Dani Parejo zum FC Villareal bekannt, nachdem sich vor einigen Tagen bereits Ferran Torres gen Manchester aufmachte.
Auf der Verkaufsliste stehen Berichten zufolge wohl auch Carlos Soler, Maxi Gomez, Gabriel Paulista, Kévin Gameiro, Jóse Gayà sowie Jasper Cillessen und damit das halbe Stammpersonal. Viele dieser Spieler gehören zu den Top-Verdienern Valencias, deren Gehälter man nun nicht mehr bezahlen kann.
Derweil möchte Peter Lim die Philosophie des Vereins neu ausrichten und zukünftig deutlich stärker auf junge Spieler setzen. Gehandelt werden hierbei auch Namen aus der Bundesliga, etwa die von Amine Harit und dem Stuttgarter Nicolás González. Zudem kehren sechs Leihspieler ins Mestalla zurück, von denen fünf unter 23 Jahre alt sind. Doch auch die wussten bei ihren Leihstationen größtenteils nicht zu überzeugen, im Schnitt absolvierten sie nur knapp 40 % der potenziell möglichen Spielminuten. Eine Strategie, um den einstigen europäischen Giganten wieder an die Spitze zu führen, ist nicht erkennbar. Es bleibt die Ungewissheit und die Frage: Quo vadis, Valencia?